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27.07.2001
Aus der Haft entlassen
Weitere Augenzeugenberichte aus Genua. Laura Jäger (20), Heidenheim:

Als die Polizei das Gebäude stürmte, bin ich als letzte Person noch aus dem Fenster gesprungen. Draußen war ein Gerüst, über das schon einige Leute vor mir raus sind. Wir wollten auf die Straße. Unten stand so eine Art Pförtnerhäuschen, unten aus Metall und ober komplett verglast. Darin haben wir uns versteckt. Die Polizisten sind auch zuerst an uns vorbeigerannt. Dann kamen sie zurück und begannen, gegen die Scheiben zu schlagen. Erst langsam, dann immer schneller und stärker. Wir kauerten uns auf dem Boden zusammen. Manchmal hörte das Schlagen auf, dann ging es plötzlich wieder los.

Auf einmal klirrte es, das ganze Glas prasselte auf uns herab und die Knüppel gingen auf uns nieder. Wir wurden so eine Weile geschlagen. Ich hatte Glück und lag etwas weiter hinten. Weiter vorne lagen zwei Männer. Die haben sie rausgezogen und in die Hofeinfahrt gelegt, Hände nach vorne. Mehrere Polizisten sind über ihre Hände gelaufen. Als ich in die Hofeinfahrt blickte, war alles voll Blut. Einer der beiden hat die ganze Zeit geschrieen. Er hat gar nicht mehr aufgehört. Die vermummten Polizisten haben Knüppel eingesetzt und mit ihren schweren Stiefeln zugetreten. Wir sind dann alle auf die Straße gebracht worden. Da waren nur Polizeiautos, kein einziger Krankenwagen. Sie haben uns dann auf den Boden geschmissen und einen Knüppel unters Kinn gehalten. So mußten wir auf dem Boden vor ihnen rumrobben, die Hände auf den Rücken. Das hat nicht so gut geklappt, wir waren ja auch verletzt. Wenn jemand nicht mehr konnte, haben sie mit dem Knüppel gegen das Kinn geschlagen. Dabei haben sie gelacht.

Auf dem Polizeirevier mußten wir einige Stunden kniend warten. Die Fesseln waren so fest gezogen, daß sich das Blut in unseren Händen staute. Nach einiger Zeit kam ein Kommandierender herein. Auf den Händen hatte er Hakenkreuze tätowiert. Als er einen Antifa-Sticker an meiner Jacke sah, fing er an zu schreien, riß ihn runter und schlug mir auf den Kopf. Er sagte, wenn er mich auf der Straße getroffen hätte, hätte er mich erschossen, zerhackt und an die Schweine verfüttert. Das hat mit jemand später übersetzt.

Mesut Duman (25), Schopfheim:

Kurz bevor der Angriff angefangen hat, bin ich in die Schule gekommen. Es war ganz ruhig. Plötzlich brach die Hölle aus. Einige Leute haben noch versucht, die Tür zuzuhalten. Die Polizei hat gegen die Tür getreten und die Scheiben eingeschlagen. Wir haben noch schnell versucht, uns anzuziehen. Wir haben unsere Hände hochgehalten und gewartet. Nach zwei, drei Tritten hatten sie die Tür eingetreten und sind reingestürmt. Sie haben uns angespuckt und als Hurensöhne beschimpft. Wir standen da und konnten nichts machen. Sie haben sofort angefangen zu prügeln, bis von den Leuten überhaupt keine Bewegung mehr kam. Ein Polizist ist im Laufschritt auf mich zugekommen und begann mich zu treten. Dann hat er ausgeholt und mit dem Schlagstock zugeschlagen. Ich hatte versucht, mich mit dem Arm zu schützen. Dann habe ich meinen Rucksack vor mein Gesicht gehalten. Er hat immer weiter geschlagen. Anschließend hat er versucht, mir den Rucksack wegzureißen und gezielt meinen Kopf zu treffen. Er hat solange auf meinen Arm geschlagen, bis der rot und blau war und überall geblutet hat. Mein linker Arm ist gebrochen. Ich habe am ganzen Körper Verletzungen. Meine Freundin wurde an den Haaren über zehn oder 15 Meter weggeschleift und geschlagen.

Ich habe trotz der Verletzungen versucht, meine Freundin zu mir zu holen. Wir haben uns nebeneinander gelegt. Die Polizei hat auf andere Leute weiter eingeschlagen. Das waren sehr, sehr viele Eindrücke in sehr kurzer Zeit. Man kann es nur schwer beschreiben. Die Leute, die sich in den oberen Etagen aufhielten, wurden die Treppe runtergeschmissen. Das habe ich gesehen. Dann wurde meine Freundin abtransportiert. Seitdem habe ich sie nicht gesehen und auch nicht gesprochen. Immer noch nicht. Ich habe keinen Kontakt zu ihr.

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