Venezuela: Eine folgerichtige Antwort auf wiederholte Fragen [El Libertario, # 34, 2002] Vor einiger Zeit bekamen wir eine e-mail aus Deutschland von dem Genossen Wayne, einem Aktivisten der FAU, einer deutschen anarchosyndikalistischen Organisation. Er sagte: "Wie ihr wisst, gibt es viele Leute hier in der europäischen Linken, die Chavez und seine Regierung unterstützen. Ich weiß, dass venezuelanische Anarchisten vor kurzem von der rechts gerichteten Opposition angegriffen wurden, aber ich will wissen, ob auch die Chavisten Anarchisten angegriffen oder bedroht haben. Ich brauche irgendwelche konkreten Beispiele von sowohl guten als auch schlechten Taten von Chavez. Ich bin vertraut mit den theoretischen Gründen, warum die Anarchsten sich dem widersetzen, aber Theorie reicht nicht. Im Namen der Comision des Relaciones Anarquist@s (CRA) von Venezuela und der Zeitung El Libertario schicken wir die Antwort, die wir für die vielen Menschen, die bei vielen Gelegenheiten in und außerhalb Venezuelas ähnliche Fragen an uns gestellt haben, veröffentlichen wollen. "Zu Anfang möchten wir euch informieren, dass wir viele Dokumente herausgegeben haben, die Chavez und was er in der venezuelanischen Politik verkörpert untersuchen. Obwohl wir Broschüren und Propagandaflugblätter zu diesem Thema herausgeben, sind unsere Ansichten über den Chavismus und die politische Lage des venezuelanischen Staates ausführlicher in unserer Zeitung El Libertario zu finden, welche in 33 Ausgaben regelmäßig seit November 1996 erscheint. Zusätzlich zur Ausgabe Nr. 10 bis 28 haben wir auf die Webseite (http://samizdata.host.sk/LIB.html) die Haupttexte jeder Ausgabe gesetzt, und angefangen mit Nr. 29 auf unserer eigenen El Libertario Webseite, die in mehreren Abschnitten ausführlich über dieses Thema informiert, einschließlich eines großen Bereichs mit Dokumenten, die ins Englische übersetzt sind. Unser Standpunkt des kompromisslosen Widerstands gegen den Chavismus ist nicht einfach die Folge einer mechanischen Anwendung anarchistischer Theorien, sondern lediglich die Konsequenz unserer Erfahrung der sozialen Wirklichkeit Venezuelas in den letzten Jahren, die es uns ermöglicht in vollständiger Klarheit zu bestätigen, dass der Chavismus eine autoritäre, militaristische, korrupte und demagogische Praxis der Unterwerfung gegenüber den transnationalen Mächten hat. Diese (Praxis) entkräftet vollständig den scheinbaren linken und Antiglobalisierungsdiskurs, den er manchmal darstellt, besonders mit der Absicht, internationale politische Unterstützung zu bekommen. Konkrete Beweise dieses faulen Zaubers seitens der so genannten "Bolivarischen Revolution" sind rechtzeitig in vielen Artikeln enthüllt worden und veröffentlicht in El Libertario, die ihr in den oben genannten Webseiten finden können. Seit wir das pseudo-progressive Spiel des Chavismus enthüllt haben, verschleudern die Regierungslakaien die klassischen Beschuldingungen, die die autoritäre Linke heutzutage für den Anarchismus vorbehält, sie sagen zum Beispiel, dass wir einer Opposition helfen und diese begünstigen, die in ihrer Gesamtheit vorgestellt wird als "rechter Flügel und faschistisch". Diesbezüglich genügt es, unsere öffentlichen Erklärungen, gesammelt in den Ausgaben der El Libertario, nachzuprüfen, um zu bestätigen, dass wir uns klar unterscheiden sowohl von der zum Putsch neigenden Rechten, als auch von den Sozialdemokraten, den beiden Flügeln der autoritären Opposition gegen Chavez. Andererseits sagt uns unsere Erfahrung hier in Venezuela, dass die Konfrontationen zwischen den Autoritären an der Macht und denen der Opposition sehr wenig mit dem Kampf zwischen sozialpolitischen Projekten zu tun haben und viel mit Anhäufung von Macht für den persönlichen Nutzen und Klassenerhalt. Deswegen sind die einzigen Wege, die wir als positiv in Betracht ziehen und fördern, die, die sich über diese beiden Gruppen erheben, die mit einem widerwärtigen bürokratischen Streit beschäftigt sind, und wir arbeiten für die Ermächtigung von autonomen, kollektiven Initiativen, für den Aufbau von Freiheit und Gleichberechtigung in Solidarität. Die verbalen Drohungen denen wir ausgesetzt sind, kommen gleichermaßen von beiden Seiten. Hier zur Erläuterung die jüngsten Beispiele, die innerhalb weniger Tage vorkamen: Ein Ratsmitglied einer Partei des rechten Flügels (Primero Justicia) kläffte blöd in einer Tageszeitung aus Caracas, während anonyme Cybernauten folgerichtig schamlose Lügen und Verläumdungen gegen uns in Indymedia und anderen alternativen Kreisen im www verbreiteten. Sowohl in den Medien wie auch bei den oben genannten, wird Anarchismus durchgehend als zerstörende Unvernunft und Anarchisten als Terroristen dargestellt. So schaffen sie ein Ambiente für zukünftige Angriffe. Zwar hat bis heute diese Atmosphäre keine direkten Aggressionen (wie körperliche Gewalt, Inhaftierung oder Zensur von Publikationen) hervorgerufen, aber es würde uns nicht überraschen, wenn diese Zunahme verbaler Attacken zu solchen Angriffen führen würde. Wir hoffen, dass dies hier hilfreich ist, als Antwort auf deine Fragen, die ohne Zweifel die Empfindungen vieler anarchistischer Genossen in Europa ausdrücken. Viele Menschen übersehen was venezoelanische Anarchisten alles aufdecken und machen. Diese Unwissenheit und die Täuschung bezüglich ihrer Ziele wird von der chavistischen Propaganda und ihren Verbündeten (deren Bandbreite von erlesenen Opportunisten wie Attac oder Monsieur Ramonet bis hin zu lächerlichen atavistischen Marxisten-Leninisten reicht) verursacht. Wir hoffen, dass die Menschen in Europa diesen Schlamassel opportunistischer Grabenkämpfe um die Staatsgewalt verurteilen werden. Diese Grabenkämpfe verstecken sich hinter einer revolutionären Farce die auf der Bühne des heutigen Venezuelas stattfindet. Gesundheit, Glück und (A)!